Regula Fuchs, Der Bund
(…) Jetzt ist er selber gestrandet, dieser Film über einen Filmer in der Sackgasse, in dem Andy Herzog und Matthias Günter so wunderbar auf den Punkt bringen, wie der Wille zur Perfektion eine Künstlerseele verstopfen kann. In «Wintergast» geht es um Stefan Keller, einen jungen Regisseur, dessen Karriere einst fulminant zündete und der bereits mit seinem ersten Kurzfilm den Schweizer Filmpreis gewann – um danach Vollgas in die Sackgasse zu rasseln.
Dort hockt er nun, in einer trüben Wohnung, mit Mietschulden und 2000 Drehbuchseiten, aus denen nichts Gescheites herausschaut. Seine Freundin nimmt gerade eine Auszeit von der Beziehung, und seine Produzentin droht, das unfertige Filmprojekt zu versenken. Da entschliesst sich Keller, einen Job als Jugendherbergstester anzunehmen, und so beginnt eine winterliche Schweiz-Reise, schön melancholisch gefilmt in Nebelgrau, Schmutzigweiss und Trübschwarz.
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen – nicht so im Fall von Stefan Keller, und das ist das Bestechende an «Wintergast»: Kellers Reise ist ein Treten an Ort, eine ziellose Odyssee im Reich der ewiggleichen Etagenbetten, Mehrbettzimmer und entseelten Gemeinschaftsräume. Auch aus den Begegnungen mit den Menschen (es sind teilweise dokumentarische Szenen), entspringt letztlich nichts: Der Cursor in seinem Worddokument blinkt weiterhin nur blöde vor sich hin, während Keller sich einen Kaffee aus dem Automaten holt oder «relevante Themen» googelt. Prokrastination nennt man das, und «Wintergast» ist eine exquisite Verbildlichung des Phänomens. (…)